Der Vortrag von Rüdiger Weskamm startete und über 50 Gäste lauschten gespannt ab dem ersten Wort. Schnell wurde allen klar, dass hier ein Mann von dem erzählt, was ihn bis heute fasziniert und begeistert. Radfahren nach allen Regeln der Kunst, von Kindesbeinen an. Gut, das erste Rad musste brüderlich geteilt werden, doch das hatte bald ein Ende und Rüdiger hatte sein eigenes Rad.
Die Bilder, die echt, mitten aus dem Randonneursleben entsprungen sind und von der ganz besonderen Atmosphäre zeugen, zogen alle in ihren Bann.
Lena Zwanzleitner konnte mit ihrer Erfahrung aus der Begleiterrolle heraus noch weitere spannende Einblicke aus einer ganz anderen Perspektive liefern. Ganz besonders anschaulich berichtete sie, dass eine Idee, ein Rennen wie das Paris-Brest-Paris minutiös zu planen UND dann diesem Plan zu folgen, in der Realität nur für das Ordnen der Gedanken bis zum Start nützlich ist. „Ab der ersten Minute im Sattel entscheiden die echten Gegebenheiten wie Straßenbelag, Wind, Wetter und vor allem die Stimmung“, so Lena.
Das Abschlussinterview
Zum Ende der beiden Vorträge wurden Lena und Rüdiger von den Zuhörern belagert und mit Fragen zu allen möglichen und unmöglichen Themen noch lange festgehalten. Uns gelang es, die folgenden Fragen im abschließenden Interview zu stellen.
Rüdiger, was hat dich dazu bewegt, die beiden Rennen zu fahren? Welche unterschiedlichen Beweggründe lagen für die jeweiligen Rennen vor?
„Ich habe mich über einen Zeitraum von zehn Jahren auf der Langstrecke entwickelt. Eher vorsichtig, keine großen Sprünge: erst 200, dann 300, 400 km – erst dann ein „Monument“. Von Hamburg zum Brocken und zurück. Das sind 600 km. Paris – Brest – Paris (1.230 km) ist dann irgendwann das historische und im Hobby Radsport einmalige Ziel, das ich schaffen wollte. Die nächste sich mir bietende Gelegenheit London – Edinburgh – London kam mir gerade recht. Ich wollte nicht 4 Jahre warten, um meine Erfahrungen, die vielen kleinen Erkenntnisse und Optimierungen umzusetzen. Und außerdem ist ‚der kleine Schluck mehr’ mit 1.430 km auch nochmal eine schöne zusätzliche Herausforderung.“
Once in a Lifetime
Lena, Welche Gründe lagen für deine beiden Jungs, Lena, vor? Was war für dich der ausschlaggebende Grund, als Begleiterin und später dann auf keinen Fall als Fahrerin dabei sei zu sollen?
„Angefangen haben die beiden Jungs – die damals Mitte 30 und Ende Anfang 40 waren – mit der Idee eine „Once-in-a-lifetime“-Sache zu machen. Sie wollten prüfen, ob sie sowas schaffen können. Das Bedürfnis, etwas beweisen zu wollen spielte sicherlich eine Rolle! Kurzum: Machen, weil man(n) es machen kann und weil die Veranstaltung da ist.
Für mich selbst war ausschlaggebend, damit die (vielleicht einmalige) Chance zu haben bei so einem Event live dabei sein zu können! Frei nach dem Motto: Vielleicht habe ich nie wieder diese Chance, habe ich zugesagt. Darüber hinaus bin ich stolz gewesen, zwei mittlerweile sehr guten Freunden bei der Erfüllung eines (Lebens-)Traums zu helfen. Ich fühle mich geehrt durch die Verantwortung, die mir übertragen wurde! Ob ich später auf keinen Fall dabei sein will, weiß ich nicht…. Mal sehen, was das Leben und diese Brevet-Saison bringt. Einen Supporter habe ich ja schon!
@Rüdiger: Nach wie vor ist die Länge der Strecke und die hautnah erlebten Strapazen der beiden Jungs beeindruckend gewesen, daher war ich in dem Moment froh, dass es mir nicht so erging…“
Pain is short – glory is forever
Rüdiger: was hat dich während der Fahrt motiviert? Wie hast du es geschafft, nicht aufzustecken? Woran hast du gedacht? Was hat dir geholfen, die Schmerzen, durchzustehen und weiter zu fahren?
„Die Begeisterung für das Event mit den die vielen großartigen internationalen Kontakten auch beim Radeln. Die Tour de France Atmosphäre, die Bretagne Crepes und die begeisterten Franzosen.
Wichtig war wohl auch mein starker Wille. Denn grundsätzlich war es machbar und ich musste nun liefern. Nachdem mein ganzer Freundes-, Bekannten- und Kollegenkreis davon wusste, wollte ich auch liefern… Aber bei PBP wurde es verdammt knapp trotz gutem Willen. . Es fällt extrem schwer, so lange Zeit den Kopf in Rennradposition hochzuhalten. Und wegen eines defekten Vorderrades konnte ich die letzten 500 km nicht schneller als 35 km/h fahren . Dadurch wurde es sehr schwierig, das vorhergewählte Zeitlimit von 84 h noch zu erreichen .
Ich glaube, wenn es am letzten Tag ein Transportangebot gegeben hätte, ich wäre möglicherweise ausgestiegen und hätte mich hach Hause kutschieren lassen. Gab es aber nicht deshalb mein Motto: „Pain is short – glory is forever !“
Lena: uns interessiert insbesondere das Team der beiden: Wann haben sie sich getrennt und was war der Auslöser? Wie war das dann für die Helfer im Auto, die beiden getrennt weiterfahren und dann jeden Tag wieder zum Auto zurückkehren zu sehen?
„Beide sind immer wieder große Abschnitte zusammen gefahren. Mal Seite an Seite, mal in Sichtweite und auch mal einige km von einander entfernt. Die hatten vorher besprochen, welches Tempo bzw. Watt beide relativ problemlos treten können. <ie haben sich auch unterwegs einander daran erinnert, sich nicht von schnellen Gruppen / Rückenwind / Sonnenschein verleiten zu lassen.
Dennoch sind beide auch unabhängig von einander mal eigenes Tempo gefahren. Einfach nach Laune. Sonst macht es gar keinen Spaß… Spätestens an den Kontrollstellen haben sie sich meist wieder getroffen, aufeinander am Auto gewartet und die Weiterfahrt abgesprochen.
Es war als Helfer sogar einfacher, wenn beide versetzt das Auto erreichten. Es entzerrte sich dann alles etwas. Beide haben meist sehr unmittelbar über Hochgefühle und die aktuelle Stimmung geplaudert, wenn sie ankamen. Wir Helfer haben dann unser Programm geliefert. Nach 200/300km ist eine Abstimmung über Essenswünsche nicht mehr zielführend. Es gibt dann einfach etwas zu Essen! Zusätzlich haben wir die Facebook-Gemeinschaft auf dem Laufenden gehalten. Darüber haben sich beide immer sehr gefreut und es als Motivation wieder mit auf die Strecke genommen!“
Mein „Blumenrad“ ist mein Alter
Rüdiger: wie schaffst du es, deine Trainingszeit mit Familie, Beruf und ggfs. anderen Hobbies in Einklang zu bringen?
„Sport ist mein Haupthobby. Ich fahre schon sehr lange täglich mit dem Rad zur Arbeit. Das sind 2 x 23 km, im Sommer und im Winter. Dazu jährlich eine Woche mit dem Trekkingbike Urlaubs, Radeln mit Gepäck, mit dem Rennrad zu RTF und Brevet, 1 Triathlon oder Duathlon. Dazu MTB bei CTF und Sommertouren. Zusätzlich laufe ich regelmäßig, trainiere auf der Rudermaschine zu Hause und gehe gelegentlich Schwimmen. All das plane ich wöchentlich / täglich möglichst familienkompatibel. Einen gute Maßnahme ist es auch, die Top Events, wie z. B. Cape Epic, PBP oder auch LEL mit unserem Familienurlaub zu verbinden.“
Die Bilder von den Rennen zeigen eher ungewöhnliche bis kuriose Fahrräder. Die sich aufdrängende Frage nach dem am besten geeigneten Fahrrad beantworten die beiden so:
Rüdiger: „Ich habe alle Kraft gebraucht, mit einem guten Rennrad in 81 h PBP zu finishen. Für mich ist neben dem Trainingszustand das Rad der wichtigste Schlüsselfaktor überhaupt.
Man muss schon extrem gut sein, wenn du mit Fixie oder mit Blumen geschmücktem Damenrad fahren willst. Ich selber finde eher, dass man die großartigen Entwicklungen der Fahrradtechnik auch nutzen sollte. Mein persönliches „Blumenrad“ ist sozusagen mein Alter. Wer mit 60 Jahren noch PBP schafft – oder LEL mit 62 – hat eh schon großartiges geleistet!“
Lena: „Die Frage der (Rad-)Technik wird sehr viel diskutiert. Wichtig ist, dass sich die Fahrer mit ihrem, Körper und ihren Gefährten bestens auskennen. Dazu kommt noch eine große Übung, mit beidem im Einklang umzugehen. Alles sollte auch Langstrecken erprobt sein.
Darüber hinaus scheint alles andere eher persönliche Vorliebe zu sein, wobei natürlich ein leichtes high-tech-Rad besonders dabei hilft, zügig und geschmeidig unterwegs zu sein zu können.“